Der Steinkauz

Geschätzt, aber auch gefürchtet

Ein Bericht von Doris Siehoff


Steinkauz NABU Düren
Steinkauz (Foto: Achim Schumacher)

"Der Kauz verdient die Zuneigung des Menschen. Er ist ein allerliebstes Geschöpf" schrieb Alfred Brehm 1892 in seinem Tierleben. Im Rheinland kannte früher jedes Kind den Steinkauz. Zehn oder mehr Brutpaare in einem Dorf waren keine Seltenheit. Heute lebt in vielen Dörfern kein einziger Steinkauz mehr. Der Verlust an Lebensraum macht ihm zu schaffen. Naturschützer im Kreis Düren setzen sich für den Schutz der kleinen Eule und den Erhalt ihres Lebensraumes, einer historischen Kulturlandschaft, ein.

Der Steinkauz: Hoch geschätzt, doch auch gefürchtet

Steinkauz auf Kapitell NABU Düren
Steinkauz auf einem Kapitell einer romanischen Kirche in Burgund (Foto: Doris Siehoff)

Der Steinkauz hat die Menschen von jeher fasziniert. Als typischer Kulturfolger lebt er gerne in ihrer Nähe. Er brütet nicht nur in alten Bäumen sondern auch in alten Gemäuern. Die kleine gedrungene Gestalt, der runde Kopf und die großen gelben Augen mit den weißen "Augenbrauen" machen ihn unverkennbar. In südlichen Ländern war der Kauz seit alters her hochgeschätzt. Im antiken Griechenland war er der Göttin Athene geweiht. Er wurde als Symbol der Weisheit und Tugend verehrt. Sein Abbild zierte über Jahrhunderte die Geldstücke Athens. Heute ist er auf der griechischen 1-Euro-Münze abgebildet.

Steinkauz mit Beute NABU Düren
Steinkauz Paar mit Beute (Foto: Achim Schumacher)

In vielen Gegenden Deutschlands galt er jedoch als Unglücksbote. Seine nächtlichen "Kuitt"-Rufe wurden als "Komm mit" gedeutet, als Ankündigung des nahenden Todes. Dabei stellte der Steinkauz nur vor den Fenstern hell erleuchteter Krankenzimmer Faltern und Käfern nach, die dort vom Licht angelockt wurden. Noch heute ist manchem Dorfbewohner die kleine Eule etwas unheimlich. "Vor Monaten hat der Kauz gerufen, jetzt ist der Onkel gestorben" erzählte im Juni 2009 eine Frau in Hergarten. Die meisten Menschen freuen sich jedoch über die kleine Eule, nicht nur, weil sie Mäuse fängt. "Wenn der Kauz im Apfelbaum sitzt, das ist doch einfach zu schön", so oder so ähnlich hören es die Naturschützer immer wieder. Heute ist der Steinkauz als Sympathieträger das Symboltier für eine artenreiche Kulturlandschaft, in der auch zahlreiche andere gefährdete Vogelarten wie Grünspecht und Gartenrotschwanz zu Hause sind.

Das Jahr 2009: Viel Schnee, wenig Mäuse

2009 war kein gutes Jahr für den Steinkauz. Zuerst der lange, kalte Winter mit viel Schnee und wenigen Mäusen, dann unbeständiges Wetter im Mai und Juni. Es gab keine längere trockene Schönwetterperiode. Das war schlecht für die Heuernte und schlecht für den Kauz. Zur Brutzeit stand das Gras vielerorts sehr hoch. Wie sollte der Steinkauz da an Mäuse, Käfer und Regenwürmer gelangen? Er litt unter Nahrungsmangel. Manche Reviere wurden nicht besetzt. In anderen kam es zur Brutaufgabe. So flogen im Jahr 2009 im Kreis Düren ungefähr ein Drittel weniger junge Käuze aus als 2008.

Steinkauz NABU Düren
Steinkauz Jungvögel (Foto: Achim Schumacher)

2009 stellte die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e. V. (EGE) 67 besetzte Reviere im Kreis Düren fest, 2008 waren es in demselben Gebiet noch 78. Nicht alle Reviere und Brutplätze konnten ermittelt werden. Besonders im Nordkreis erfolgte keine flächendeckende Kartierung. Dort brüten auch viele Käuze in Baumhöhlen oder Astlöchern. Diese natürlichen Brutplätze sind unter Umständen schwer zu finden oder kaum erreichbar.

Beringung: Ein Personalausweis für die Käuze

Beringung eines Steinkauzes Steinkauz NABU Düren
Beringung eines Steinkauzes (Foto: Doris Siehoff)

Im Juni werden die jungen Käuze nicht nur gezählt, sondern auch mit Ringen der Vogelwarte Helgoland markiert. Dabei bekommen die Vögel einen leichten Aluminiumring um den Fuß, eine individuelle Kennzeichnung, sozusagen ihren "Personalausweis". Auf dem Ring stehen der Name der Vogelwarte und eine Nummer. Alle Beringungen und Wiederfunde werden der Vogelwarte Helgoland in Wilhelmshaven gemeldet.

Im Jahr 2009 wurden 75 junge und bisher 16 alte Käuze beringt. In 2010 waren es 107 Jungkäuze und 22 Altvögel. In beiden Jahren wurden je rund 20 bereits beringte Käuze in den Nisthilfen angetroffen. Mit der Beringung und der Wiedermeldung beringter Käuze erhalten die Naturschützer einen Überblick über den Bruterfolg, die Brutplatz- und Partnertreue, die Familienverhältnisse, die Altersstruktur und die Ausbreitung der Vögel.

Steinkauz NABU Düren
Steinkauz gähnend (Foto: Achim Schumacher)

Mehr als die Hälfte der jungen Käuze siedelt sich im Umkreis von weniger als zehn Kilometern um den Brutplatz an. Zum Beispiel brütete ein Kauz, der bei Gut Pesch in Pier das Licht der Welt erblickte, ein Jahr später im nur 2,5 km entfernten Vilvenich. Ein junger Kauz aus Langerwehe-Obergeich ließ sich in Düren-Konzendorf nieder. Meistens bleiben die Käuze jahrelang am einmal gewählten Brutplatz, aber auch "Umzüge" kommen vor. So wurde 2005 in Huchem-Stammeln, Gemeinde Niederzier, ein altes Weibchen an seinem Brutplatz beringt, das in den Jahren 2007 bis 2009 im Nachbarort Oberzier brütete. Einige Funde sind rekordverdächtig. Ein im Kreis Euskirchen beringter Kauz wurde 265 km entfernt in Steinheim an der Murr, in Nordwürttemberg, aufgefunden.

Steinkauz NABU Düren
Der alte Kauz aus Thuir (Foto: Doris Siehoff)

Auch über das Alter der Käuze kann man durch die Beringung Einiges erfahren: So wurde in Thuir im Jahr 2008 ein Kauz angetroffen, der dort schon 1997 als Altvogel beringt worden war. Er war also mindestens zwölf Jahre alt. Das Höchstalter der Steinkäuze wird in der Literatur mit 15 Jahren angegeben.

Hier eine Bitte: Wer einen lebenden oder toten beringten Kauz findet, sollte Fundort, Fundumstände und Ringnummer unbedingt an die EGE, an die Biologische Station im Kreis Düren (info{at}biostation-dueren.de) oder an die Vogelwarte Helgoland in 26386 Wilhelmshaven melden. Auch wer einen verletzten Kauz findet, kann sich an die EGE oder die Biologische Station wenden.

Der Lebensraum: Obstwiesen und -weiden

Obstweiden Ginnick Steinkauz NABU Düren
Obstweiden bei Ginnick (Foto: Doris Siehoff)

Steinkäuze bevorzugen als Lebensraum offenes, ganzjährig kurzgrasiges Grünland mit alten Bäumen. Das können alte Baumweiden in Bach- und Flussauen, zum Beispiel an der Rur, einzelne Eichen im Grünland oder alte Apfel- und Birnbäume auf Obstwiesen und -weiden innerhalb oder am Rand von Ortschaften sein. Im Kreis Düren leben die meisten Steinkäuze auf Obstwiesen und -weiden. Das Grünland benötigt der Kauz für die Jagd, in hohlen Bäumen findet er Versteck- und Brutplätze. Auf beweideten Flächen ist das Gras in der Regel ganzjährig so kurz, dass der Kauz von einem Ansitz aus Mäuse erspähen und erjagen kann. Manchmal macht er sich aber auch zu Fuß auf die Suche nach Insekten und Regenwürmern.

Moderne Zeiten: Der Steinkauz in Gefahr

Steinkäuze leben in der heutigen Kulturlandschaft gefährlich. Viele enden als Verkehrsopfer. Die Käuze jagen gerne am Straßenrand oder sammeln große Insekten von der Straße auf. Dabei werden sie leicht vom Verkehr erfasst - je schneller gefahren wird, desto häufiger kommt es zu Kollisionen. Käuze verunglücken aber auch zum Beispiel durch Stürze in Kamine oder Viehtränken.

Die Gründe für den Bestandsrückgang liegen jedoch vor allem in der Intensivierung und dem Strukturwandel der Landwirtschaft, zum Beispiel dem Rückgang der Milchviehhaltung, und im Verlust an Lebensraum durch Bebauung, Straßenbau oder Braunkohletagebaue. Immer noch sind Steinkauzlebensräume durch Baugebiete bedroht. Die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichsmaßnahmen sind oft unzureichend oder greifen erst nach Jahren oder Jahrzehnten. Eine alte Obstwiese ist eben nicht über Nacht durch eine Neuanpflanzung an anderer Stelle zu ersetzen.

Steinkauz NABU Düren
Steinkauz auf Weidepfahl (Foto: Klaus Frankenberg)

Im Kreis Düren ist der Obstbaumbestand überaltert, weil kaum noch ein wirtschaftliches Interesse an der Vermehrung und Erhaltung der Bäume besteht. Die alten Bäume sterben Stück für Stück mangels Pflege, durch Pferdeverbiss, wegen sinkender Grundwasserstände oder einfach wegen ihres Alters. Daher gibt es immer weniger Bäume mit Höhlen, in denen die Käuze ihre Jungen aufziehen können.

Durch den Braunkohletagebau im Kreis Düren gingen in den letzten Jahren allein an der alten Inde mehr als zehn Steinkauzreviere verloren, wenigstens fünf weitere werden demnächst bei Pier abgebaggert. Wird der Tagebau Inden tatsächlich mit Wasser statt mit Erde verfüllt, sind diese Reviere auf alle Zeiten verloren. Mit einem "Indeschen Meer" ist dem Steinkauz nicht geholfen.

Der Schutz: Gemeinsam geht es besser!

Steinkauz NABU Düren
Steinkauz Jungvögel (Foto: Achim Schumacher)

Die Erhaltung von Steinkauzlebensräumen, besonders der Obstwiesen und -weiden als prägendes Element der Kulturlandschaft sollte allen ein Anliegen sein, damit die kleine Eule eine Zukunft hat. Dabei ist nicht nur das Engagement der Naturschützer gefordert. Ebenso sind Landwirte, Pferdebesitzer, Grundstücks- und Hauseigentümer und nicht zuletzt die Städte und Gemeinden gefragt. Schutzmaßnahmen können oft so einfach sein: Obstbäume lassen sich mit etwas Draht und ein paar Pfosten vor Viehverbiss schützen. Ein alter Zaunpfahl in Viehtränken bewahrt hineingefallene Käuze vor dem Ertrinken. Kamine in der Umgebung von Steinkauzbrutplätzen können mit Gittern oder Hauben gesichert werden. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung an Straßen in der Nähe von Steinkauzlebensräumen kann für die Vögel lebensrettend sein.

Von besonderer Bedeutung ist es, dass möglichst viele Menschen am Erhalt der Obstbäume interessiert sind. Daher ist auch die Nutzung des Obstes wichtig. Viele Menschen schätzen ihre alten Apfelbäume wieder mehr, seitdem sie das Obst zur Biologischen Station bringen, dort pressen und als Saft wieder mitnehmen können. Auch der Kauf von Obstsaft aus Streuobstwiesen ist ein Beitrag zum Schutz dieses Lebensraumes. Obstwiesen und -weiden vor Bebauung zu bewahren ist Sache der Politik. Beim Steinkauz sollten die Kommunalpolitiker ein Einsehen und die Bebauung ein Ende haben, so der Appell der EGE.

Solzialer Wohnungsbau für Steinkäuze

Steinkauz Steinkauzröhre NABU Düren
Anbringung einer Steinkauzröhre (Foto: Doris Siehoff)

Naturschützer bringen seit den 1970er-Jahren spezielle Nisthilfen für Steinkäuze an. Dabei handelt es sich um 80 bis 100 Zentimeter lange Röhren oder Holzkästen. Sie dienen als Brutplatz, Tagesruheplatz und Nahrungsdepot. Sie werden allerdings nicht in jedem Jahr benutzt. Manche stehen vorübergehend leer, andere werden erst nach Jahren angenommen. Im Kreis Düren mildern vor allem die EGE, die Biologische Station und im östlichen Kreisgebiet eine Arbeitsgruppe der katholischen Pfarrei Buir die Wohnungsnot der Käuze auf diese Weise. Die Naturschützer sind dabei auf das Einverständnis und die Mithilfe privater Grundstückseigentümer angewiesen.

Zurzeit hängen im Kreis Düren etwas mehr als 200 Steinkauznistkästen. Die meisten werden von Mitarbeitern der EGE regelmäßig kontrolliert und gewartet. Im Herbst oder Winter sind Reparaturen fällig. Manchmal haben sich Spechte an den Kästen zu schaffen gemacht, einige haben Marder zerkratzt, manchmal ist der Ast, auf dem sie lagen, abgebrochen oder der Baum vom Sturm umgeworfen.

Ausblick: Es gibt viel zu tun!

Steinkauz NABU Düren
Steinkauz Jungvogel schlafend (Foto: Achim Schumacher)

In Deutschland brüten etwa 8000 Steinkauzpaare, rund drei Viertel davon in Nordrhein-Westfalen, jedes zehnte Paar in der Kölner Bucht. 1994 lebten mehr als 200 Steinkauzpaare im Kreis Düren. Heute sind es erheblich weniger. Eine erneute flächendeckende Kartierung im gesamten Kreisgebiet ist erforderlich. Da der Bestand in den vergangenen Jahren fast überall in Deutschland dramatisch zurückgegangen ist, tragen Nordrhein-Westfalen und der Kreis Düren eine besondere Verantwortung für die Erhaltung dieser Art. Die Art schwindet vor allem durch die Inanspruchnahme ihres Lebensraumes. Schneereiche Winter und Nahrungsmangel zur Brutzeit setzten den Käuzen hart zu. Deshalb müssen die Bemühungen zum Schutz des Steinkauzes fortgeführt oder sogar verstärkt werden, wenn diese liebenswerte Eule im Kreis Düren eine Zukunft haben soll.


Geleitet wird das Steinkauzprojekt der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e. V. (EGE) im Kreis Düren von Doris Siehoff. Unterstützt wird sie von Achim Schumacher, Ulrich Bergrath und Klaus Frankenberg.

Mehr Informationen über den Steinkauz und andere Eulen gibt es unter www.egeeulen.de.

Dieser Bericht ist im Dezember 2009 auch im Jahrbuch 2010 des Kreises Düren erschienen. Es ist in der Kreis-Verwaltung, den Dürener Büchereien oder direkt beim Hahne & Schloemer Verlag käuflich zu erwerben.

 

Literaturempfehlungen:

Aebischer, Adrian (2008): Eulen und Käuze - Auf den Spuren der nächtlichen Jäger, Haupt Verlag

Mebs, Theodor (1987): Eulen und Käuze - Kosmos Verlag

Mebs, Theodor & Wolfgang Scherzinger (2008): Die Eulen Europas - Kosmos Verlag

Möller, Anne (2005): Familie Steinkauz - Atlantis Verlag (Kinderbuch)

Schönn, Siegfried, Wolfgang Scherzinger, Klaus-Michael Exo & Rottraud Ille (1991): Der Steinkauz - Neue Brehm-Bücherei 606


Der NABU Düren hilft dem Steinkauz ganz praktisch durch den Bau von Nistkästen. Weitere Informationen finden sie hier.

 

Lesen Sie auch die Berichte zur Steinkauz Brutsaison 2018 und zur Auszeichnung des Steinkauzfreundlichen Dorfs Nideggen-Berg.

 

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