Verstößt der Kreis Düren gegen Naturschutzgesetze?

Gefährdung vieler Arten durch Arbeiten im NSG und FFH-Gebiet

Ersatzneubau der Rurbrücke bei Gut Kallerbend mitten in der Brut-, Laich- und Schonzeit


Wasseramsel Gut Kallerbend Holzbrücke Zerkall Mühlkoppe Bachneunauge Äsche Naturschutzgebiet BNatSchG UNB Bezirksregierung Köln Untere Naturschutzbehörde Kreis Düren NABU Düren
Wasseramsel (Foto: Achim Schumacher)

Am 6. April 2025 erhielt der NABU Kreisverband Düren e.V. einen Hinweis, wonach ab der 15. Kalenderwoche der Abbruch und Ersatzneubau der Holzbrücke bei Gut Kallerbend mit anschließendem Brückenneubau geplant sei. Durch diese Arbeiten sind das Naturschutzgebiet (NSG) 2.1-3 Rurtal im Landschaftsplan (LP) 3 und das FFH-Gebiet Ruraue betroffen. Zeitlich liegen die Arbeiten in der Schonzeit vom 1. bis 15. Mai bzw. Brut-, Setz- und Laichzeit vom 1. März bis 30. September. Aufgrund der Arbeiten sind Biodiversitätsschäden im Sinne des Umweltschadenrechts zu befürchten. Zum Zeitpunkt des Beginns der Arbeiten brütete die besonders geschützte Wasseramsel im Brückenträgerwerk.

Die geplanten Arbeiten verstoßen aus Sicht des NABU Düren gegen Störungs-, Schädigungs- und Tötungsverbote nach § 44 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und die im LP 3 festgesetzten Gebote und Verbote für das NSG 2.1-3 sowie die FFH-Verordnung. Folgen einer vermutlich erforderlichen Befahrung mit Baufahrzeugen wären eine Verdichtung und Aufwühlen des Sediments in der Rur mit Auswirkungen bis zum Staubecken Obermaubach. Die Fischfauna würde nachhaltig geschädigt. Zum Zeitpunkt der Arbeiten ist Laichzeit und durch Kontakte mit den Anglern sind uns in der Rur Vorkommen von Äsche, Bachneunauge und Mühlkoppe bekannt. Bei den genannten Tieren handelt es sich um besonders geschützte Arten.

Deshalb hat sich der NABU Düren entschieden, Schritte gegen die geplanten Arbeiten einzuleiten.


Eine Chronologie der Ereignisse

6. April 2025

Wasseramsel Gut Kallerbend Holzbrücke Zerkall Mühlkoppe Bachneunauge Äsche Naturschutzgebiet BNatSchG UNB Bezirksregierung Köln Untere Naturschutzbehörde Kreis Düren NABU Düren
Wasseramsel in ihrem Element (Foto: Achim Schumacher)

Der NABU Kreisverband Düren e.V. erhält einen Hinweis, wonach ab der kommenden Woche der Abbruch der Holzbrücke bei Gut Kallerbend mit anschließendem Brückenneubau geplant sei. Der Hinweisgeber hatte im Vorfeld bereits die Untere Naturschutzbehörde (UNB) des Kreises Düren informiert und diese darauf hingewiesen, dass sich der Ort der geplanten Baumaßnahme im Geltungsbereich des LP 3 "Kreuzau/Nideggen" befindet und im NSG liegt. Er stellte der UNB die Frage, ob und mit welchem Ergebnis aufgrund des geplanten Zeitpunktes sowie der Durchführungsplanung der Arbeiten (u.a. Fällarbeiten, erhebliche Eingriffe in den Wasserkörper) eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt wurde. Außerdem wies er die UNB darauf bin, dass sich die angesetzte Baumaßnahme in rund 50 m Entfernung zu einer Schutzzone befindet und dass unter der Brücke in der Tragkonstruktion eine Wasseramsel nistet.

8. April 2025

Mail des NABU Kreisverbandes Düren e.V. an den Beauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen, Ferdinand Aßhoff, und den Kreis Düren mit dem Inhalt, dass dem NABU Düren Hinweise vorliegen, wonach in den nächsten Tagen mitten in der Brut-, Laich- und Schonzeit (bis 15. Mai) ein Abriss und Neubau der Holzbrücke an der Rur bei Gut Kallerbend (Zerkall) sowie Rodungsarbeiten anstehen.

Wasseramsel Gut Kallerbend Holzbrücke Zerkall Mühlkoppe Bachneunauge Äsche Naturschutzgebiet BNatSchG UNB Bezirksregierung Köln Rotmilan Untere Naturschutzbehörde Kreis Düren NABU Düren
Rotmilan (Foto: Achim Schumacher)

Der NABU wies Herrn Aßhoff und den Kreis Düren darauf hin, dass sich die Brücke im Geltungsbereich des LP 3 „Kreuzau/Nideggen“ befindet, und im NSG liegt. Es erfolgte ein Hinweis auf die Brut der besonders geschützten Wasseramsel in der Trägerkonstruktion der Brücke und auf die Vorkommen des Bachneunauges in der Rur und - damit verbunden - auf die Gefahr von erheblichen Verlusten dieser Art zur aktuellen Laichzeit durch die geplante Baumaßnahme. Außerdem spricht der NABU Düren in der Mail die Befürchtung aus, dass durch den bei den Arbeiten entstehenden Lärm die Gefahr der Vergrämung von anderen Brutvögeln in dem Bereich besteht. Betroffen sind beispielsweise der Rot- und Schwarzmilan, von deren (Brut)Vorkommen in der Umgebung der Brücke auszugehen ist. Der NABU Düren macht in seiner Mail deutlich, dass es sich bei allen genannten Tierarten um besonders geschützte Arten nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) handelt. Aus Sicht des NABU Düren ist Gefahr im Verzug und die geplanten Maßnahmen müssen für die Dauer der Brut- und Laichzeit komplett gestoppt werden.

10. April 2025

Wasseramsel Gut Kallerbend Holzbrücke Zerkall Mühlkoppe Bachneunauge Äsche Naturschutzgebiet BNatSchG UNB Bezirksregierung Köln Untere Naturschutzbehörde Kreis Düren NABU Düren
Baumfällarbeiten bei Gut Kallerbend (Foto: Horst Malchow)

Ein Aktiver des NABU Düren macht sich auf den Weg nach Gut Kallerbend und stellt fest, dass im Bereich der Brücke mit Baumfällarbeiten begonnen wurde. Er trifft vor Ort den Hinweisgeber an. Dieser hatte den Vorfall inzwischen auch der Bezirksregierung Köln geschildert. Ein Mitarbeiter der Bezirksregierung trifft dann auch noch an der Brücke ein. Wie sich herausstellt, hatte die Bezirksregierung Köln am 9. April einen Baustopp verhängt, der aber offensichtlich ignoriert wird. Der Aktive des NABU Düren kann in einem Telefonat mit der ausführenden Firma eine kurze Unterbrechung der Baumfällung erreichen, die dann aber trotzdem noch am selben Tag abgeschlossen werden.

Die Arbeiten erfolgten direkt am Ufer der Rur. Ein Bagger hat dabei die Rur durchquert.

11. April 2025

Der NABU Kreisverband Düren e.V. erstattet zusammen mit der BUND Kreisgruppe Düren Anzeige bei der Kreispolizeibehörde Düren gegen den Kreis Düren. Kurze Zeit später ergänzend auch bei der Staatsanwaltschaft Aachen.

12. April 2025

Kontaktaufnahme des NABU Düren mit der örtlichen Presse und Schilderung des Verstoßes des Kreises Düren gegen Naturschutzgesetze.

14. April 2025

Die Brücke ist komplett gesperrt. Auch Anlieger dürfen sie nicht mehr passieren. Eine Zufahrt ist nur noch bis Gut Kallerbend möglich. Aktive des NABU Düren stellen fest, dass ein Bagger offenbar am Sägewerk in Zerkall die Rur auf ca. 120 Meter befahren und dabei einen Auwald durchquert hat:

Ein- und Ausfahrt des Baggers (Fotos: Dr. Martina Hannes)

Die Brücke bei Zerkall konnte von dem Bagger offenbar aufgrund der nicht ausreichenden Traglast nicht befahren werden. Anwohner bestätigen dies. Zu erkennen sind erhebliche Schäden am Waldboden und an zwei dicken Baumstämmen. Die Aktiven beobachten, dass Stahlplatten auf der Zufahrt zur Brücke ausgelegt werden; vermutlich, um die Straße zu schützen, wenn sie mit schweren Maschinen befahren werden. 

16. April 2025

Die BUND Kreisgruppe Düren und der NABU Düren stellen beim Kreis Düren eine Anfrage nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG NRW) zum Abriss und Neubau der Brücke über die Rur bei Kallerbend.  Sie machen deutlich, das sie bei den Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Abriss und Neubau der Brücke, deren Auftraggeber das Tiefbauamt des Kreises Düren ist, einen Verstoß gegen die Naturschutzgesetze befürchten. Sie bitten als anerkannte Naturschutzverbände um die vollständigen Panunterlagen und eine nachvollziehbare Dokumentation, wie in dieser Sache die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege eingeflossen sind.

17. April 2025

 Berichterstattung in der Dürener Zeitung unter der Überschrift "Naturschützer kritisieren Kreis Düren: Bäume in der Schutzzeit gefällt" (nur für Abonnenten lesbar)

19. April 2025

Aktive des NABU Düren müssen vor Ort feststellen, dass die Arbeiten nach wie vor fortgesetzt werden. Sie treffen aber auch auf zwei Menschen, die sich als Biologen vorstellen, die im Auftrag des Büros für Ökologie und Landschaftsplanung Dr. Jürgen Prell aus Aachen die brütende Wasseramsel beobachten. Auftraggeber des Büros sei der Kreis Düren. Lt. Aussage der Biologen brütet die Wasseramsel noch. Wie sie sagen, wird dem Kreis Düren gemeldet, wenn die Jungvögel ausgeflogen sind. Erst danach sollen die Arbeiten an der Brücke beginnen.

Zu einem früheren Zeitpunkt wurden die beiden Mitarbeiter*innen des Büros Prell noch nicht an der Baustelle angetroffen, obwohl nicht nur NABU- und BUND-Aktive, sondern auch Privatmenschen, die den Zeitpunkt der Arbeiten ebenfalls sehr kritisch sehen, zu unterschiedlichen Tageszeiten regelmäßig vor Ort waren.

25. April 2025

Die vom NABU Düren befürchteten Folgen einer Befahrung der Rur mit Baufahrzeugen hat sich bedauerlicherweise bewahrheitet, wie das nebenstehende Foto zeigt. Das Sediment des Flusses wird aufgewühlt ... mit sehr negativen Auswirkungen auf die Fischfauna mitten in der Laichzeit.

28. April 2025

Wie der NABU Düren erfährt, stellen die Biologen der Ökologische Baubegleitung fest, dass die Wasseramsel heute ihre Nistzeit beendet hat, und verlassen den Standort.

29. April 2025

Ein Aktiver des NABU Düren stellt vor Ort fest, dass die Arbeiten an der Brücke in vollem Gange sind. Er sieht die Wasseramsel unter der Brücke wegfliegen.

Wasseramsel Gut Kallerbend Holzbrücke Zerkall Mühlkoppe Bachneunauge Äsche Naturschutzgebiet BNatSchG UNB Bezirksregierung Köln Untere Naturschutzbehörde Kreis Düren NABU Düren
Von der Brücke flussabwärts fotografiert (Foto: C. Schnabel)

30. April 2025

Wasseramsel Gut Kallerbend Holzbrücke Zerkall Mühlkoppe Bachneunauge Äsche Naturschutzgebiet BNatSchG UNB Bezirksregierung Köln Untere Naturschutzbehörde Kreis Düren NABU Düren
Wasseramsel mit Nahrung im Schnabel beim Anflug des leeren Nests (Foto: C. Schnabel)

Der Mensch, der den NABU den Hinweis auf die geplanten Arbeiten gab, macht am Nachmittag das nebenstehende Foto der Wasseramsel. Zu diesem Zeitpunkt war der Brückenbelag bis weit über dem Nest entfernt worden. Beobachtet wurden beide Wasseramseln wie sie das zwischenzeitlich vermutlich durch die Bauarbeiten beschädigte und zu diesem Zeitpunkt leere Nest mit Nahrung im Schnabel angeflogen.

 

 

24. Mai 2025

Mail des NABU Kreisverband Düren e.V. an die Bezirksregierung Köln, um diese darüber in Kenntnis zu setzen, dass die Naturschutzverbände mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen das Vorhaben bei Gut Kallerbend eingeschritten sind. In der Mail wird zum Ausdruck gebracht, dass der NABU Düren und die BUND Kreisgruppe Düren überzeugt sind, dass die Arbeiten an der Brücke bei Gut Kallerbend gegen das vorliegende Naturschutzrecht verstoßen (z.B. durch Brutzeit streng geschützter Arten, Naturschutzgebietsverordnung, weitere Schutzverordnungen, Befahren eines Baggers in der Rur zur empfindlichsten Zeit, Fällen von Bäumen in der Schonzeit etc.).
In dieser Mail wird darauf hingewiesen, dass NABU und BUND Strafanzeige gegen den Kreis Düren bei der Polizei gestellt haben. Ein Protokoll zu diesen Sachverhalten wird beigefügt.
Die Bezirksregierung wird darüber informiert, dass dem NABU Düren durch Kontakte zu Privatpersonen bekannt ist, dass es zu weiteren Anzeigen gekommen ist.
Es wird darauf hingewiesen, dass der NABU Düren vom Kreis Düren auf eine Bitte um Stellungnahme keine Antwort erhalten hat und nachgefragt, ob die Bezirksregierung Köln Kenntnis über den Vorgang hat und ob diese ebenfalls Maßnahmen gegen die Umsetzung eingeleitet hat.

30. Mai 2025

Eingang einer Mail der Bezirksregierung Köln beim NABU Düren, in der mitgeteilt wird, dass die durch die "Brückenarbeiten Kallerbend" betroffenen naturschutz- und wasserrechtlichen Belange geprüft werden. Man stehe hierzu im Austausch mit dem Kreis Düren. Dem NABU Düren wurde versichert, dass auch den von ihm aufgeworfenen Fragestellungen nachgegangen wird. Der Unterzeichner der Mail sei im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen von der Kreispolizeibehörde Düren kontaktiert worden und habe ausführlich Stellung genommen.


Das Fazit ist ernüchternd

Nicht nur der NABU und der BUND haben sich im Zusammenhang mit der Baumaßnahme bei Gut Kallerbend dafür eingesetzt, dass bestehende Gesetze eingehalten werden und die Belange des Naturschutzes gewahrt werden. Privatleute, denen Naturschutz wichtig ist, haben sich sehr engagiert eingesetzt und sich mit Eingaben an Behörden gewandt, Kontakt mit der Politik aufgenommen und Anzeigen erstattet.

Zwischenfazit

Wir hätten hier am Ende gerne über ein positives Ergebnis berichtet, müssen aber feststellen, dass die Bemühungen all der Menschen, die sich "in Sachen Kallerbend" für die Natur und die Einhaltung von Naturschutzgesetzen eingesetzt haben, nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben. Das macht alle Beteiligten sehr betroffen. Was der Grund dafür ist, dass sich der Kreis Düren über einzuhaltende Bestimmungen und die Weisungen der Bezirksregierung Köln hinweggesetzt hat, wissen wir nicht.

 

Wenn der Grund für den Ersatzneubau  war, dass das betroffene Bauwerk sanierungsbedürftig war, hätte der Ersatzneubau jedenfalls bereits im Winter außerhalb der Schutzzeiten realisiert werden können. Soweit es uns bekannt ist, war die Brücke vor den Arbeiten noch für Fahrzeuge bis 6 Tonnen Gewicht freigegeben.

 

Eine ökologische Baubegleitung wurde am 10.04. nicht gesehen, als die Fällarbeiten durchgeführt wurden.

Ökologische Baubegleitung erst nach Widerstand von NABU, BUND und Privatpersonen?

Unklar ist auch, warum die Ökologische Baubegleitung erstmals am 19. April vor Ort angetroffen wurde. Hätte eine ökologische Baubegleitung ohne die Aktivität der Naturschutzverbände und der oben bereits erwähnten Privatleute womöglich gar nicht stattgefunden? Die Auswirkungen auf die Fischfauna waren unseres Wissens nicht Bestandteil der Ökologischen Baubegleitung.

Keine Reaktion des Kreises Düren auf Anfragen von NABU und BUND

Der Kreis Düren hat bisher leider nicht auf die Mail des NABU Düren vom 8. April 2025 geantwortet. Eine Rückmeldung zu der Anfrage nach dem UIG NRW vom 16. April 2025 liegt uns vor, die uns zur Verfügung gestellten Informationen sind aus unserer Sicht allerdings unzureichend, um die massiven Eingriffe in diesen empfindlichen Bereich zu dem gewählten Zeitpunkt zu rechtfertigen.

Wir hoffen jedenfalls, die Verantwortlichen zumindest für die Zukunft sensibilisiert zu haben, dass Naturschutzbelange zu berücksichtigen und Naturschutzgesetze einzuhalten sind. Außerdem sollten solche Maßnahmen deutlich anders kommuniziert werden. Welches Ergebnis die Anzeigen bei der Kreispolizeibehörde Düren und der Staatsanwaltschaft Aachen bringen, bleibt abzuwarten.