Ich bin kein sehr geduldiger Mensch. Wenn ich etwas anpacke, möchte ich schnell Ergebnisse sehen. So auch im Frühjahr 2022, als ich den Versuch unternommen habe, in unserem Garten eine blühende Insel anzulegen. Auf einer Rasenfläche von rund sechs Quadratmetern sollte ein Paradies für Schmetterlinge, Wildbienen und andere Insekten entstehen. Nistmöglichkeiten für Insekten haben mein Mann und ich schon vor ca. zwei Jahren eingerichtet. Wir waren erfreut, wie gut diese angenommen wurden, und ich wollte nun dafür sorgen, dass die Tiere in unserem Garten dann auch ausreichend Nahrung finden. Mit meiner Ungeduld bin ich dabei leider "krachend" gescheitert.
Der erste Versuch im Frühjahr 2022
Eigentlich wusste ich, dass es nicht reicht, oberflächlich die Grasnarbe "abzukratzen", die Erde ein bisschen aufzuhacken und dann unmittelbar das Saatgut auszubringen. Trotzdem habe ich es genau so gemacht - geht ja so schön flott ;-) - und mir einen schnellen Erfolg und einen blühenden, summenden Garten mit vor Freude taumelnden Insekten vorgestellt. Fehlanzeige! Das Gras war wieder da, bevor die Wildblumen und -kräuter es geschafft haben, sich zu etablieren. Im Dickicht des nachwachsenden Grases haben die Pflänzchen nicht genug Licht bekommen und konnten sich nicht durchsetzen.
Ein Jahr später - Frühjahr 2023
Nach diesem Misserfolg habe ich mich für das Frühjahr 2023 zu einem Blühbotschafter*innen-Training angemeldet, das unter Förderung des LVR von der Biologischen Station Bonn/Rhein-Erft e.V. angeboten wurde. Unterstützt wird das Projekt durch Bonn im Wandel e. V.. In dem Kurs bekommen die Teilnehmer nicht nur Hintergrundwissen über Saatgut, Böden und Insekten, sondern erlernen auch die Anlage und Pflege von Blühflächen in Theorie und Praxis. Unter anderem erfahren wir, dass die Anlage einer Blühfläche Geduld erfordert ;-)
Allerdings bringt man uns auch bei, dass die Umwandlung einer Rasenfläche in ein blühendes Beet auch kein "Hexenwerk" sein muss. Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Sache anzugehen. Man kann fräsen und grubbern oder die Grasnarbe und einen Teil des Oberbodens abheben. Ideal ist es in diesem Fall, Sand einzufüllen, um den Nährstoffgehalt des Bodens zu senken und den verbleibenden Boden dadurch abzumagern. Denn Wildblumen- und -kräuter benötigen einen nährstoffarmen Boden.
Die Frage in diesem Fall ist dann allerdings: Wohin mit dem Boden? Es ist sicher interessant, diesen an irgendeiner Stelle im Garten zu einem größeren Haufen "aufzutürmen" und einfach mal abzuwarten, was sich darauf entwickelt. Allerdings ist das schwierig, wenn man - wie wir - einen sehr kleinen Garten und (leider) nicht genug Platz für ein solches Experiment hat. Die "Entsorgung" des Bodens über die Biotonne war für uns auch keine Option.
Die Alternative
Im Praxisteil des Blühbotschafter*innen-Training haben wir folgende Alternative kennengelernt: Es werden Grassoden von ungefähr 5 cm Höhe abgestochen und umgedreht (Graswurzeln nach oben!) wieder an derselben Stelle eingelegt. Danach werden problematische Wurzelunkräutern wie Quecke, Distel, Weißklee oder Winde entfernt und das Ganze dann zwei Wochen in Ruhe gelassen. Geduld! Wie gesagt: nicht meine Stärke. Trotzdem habe es vor einigen Tagen, Mitte März, in meinem eigenen Garten genau so gemacht wie wir es beim letzten Kurstermin gelernt haben.
Ein Tag Arbeit und dann zwei Wochen Pause. Wenn ich richtig überlege: eigentlich gar nicht so schlecht :-)
Die einzelnen Arbeitsschritte ...
(Fotos: Tanja Malchow)
... und das Ergebnis
(Fotos: Tanja Malchow)
In zwei Wochen geht es weiter!
Beim nächsten Kurstermin in knapp zwei Wochen erfahren wir, wie es mit der bearbeiteten Fläche dann weitergeht. Ich bin gespannt und freue mich schon darauf, das Erlernte dann direkt danach im eigenen Garten umzusetzen! Ich halte Sie hier auf dem Laufenden zu meinem "Blühbeet 2.0"!
Drei Wochen später ...
Am vorletzten Freitag - also vor mehr als einer Woche - haben wir beim Blühbotschafter*innen-Training erfahren, wie es weitergeht. Weil bei mir in der Woche darauf ziemlich viel los war, bin ich erst heute dazu gekommen, mich wieder um meine Stück Land zu kümmern. Das macht aber nichts. Denn der Frühling kommt dieses Jahr nur langsam "in Gang". Es ist noch relativ kühl und für die nächsten Tage ist etwas Regen angesagt, was dem Saatgut, dass ich heute ausgebracht habe, gut tut. Aber der Reihe nach.
Es hat tatsächlich geklappt!
Ich hatte ein bisschen Zweifel, ob sich der Rasen durch das Umdrehen der Grassoden tatsächlich "vertreiben" lässt. Meine Erwartung war, dass ich recht bald wieder auf eine Grasfläche blicke und die ganze Arbeit umsonst war. Die Fachleute beim Kurstermin haben aber erklärt, dass Gras nicht - wie andere Pflanzen - in der Lage ist, seine Wuchsrichtung nicht umzukehren. Und auch in meinem Garten hat sich das Gras an diese Regel gehalten :-) Lediglich einige kecke Grashalme und sehr wenige Grasbüschel wagten sich hervor. Deren Anzahl lässt sich aber an zwei Händen abzählen. Sie waren ausschließlich dort anzutreffen, wo zwei umgedrehte Grassoden gegeneinanderstoßen und sich ein Riss gebildet hat, durch den etwas Licht nach unten dringen konnte. Auf den folgenden Fotos kann man das ganz gut erkennen:
Was jetzt zu tun ist
Die wieder zum Vorschein gekommenen Gräser werden nun vorsichtig entfernt und das gesamte Erdreich danach oberflächlich aufgelockert. Wichtig ist, dass man weder bei der Entfernung sprießender Gräser noch beim Auflockern der Erde zu tief kommt und dabei womöglich Gräser, die noch nicht ganz abgestorben ist, wieder hochholt. Es soll wirklich nur das an die Oberfläche gekommene Gras und dessen Wurzeln entfernt und danach nur die oberste Erdschicht flach aufgelockert werden.
Anschließend wird die Fläche mit der Harke möglichst glatt gezogen und sich vor der Harke sammelnde Wurzelreste, Steinchen u.ä. bei der Gelegenheit gleich entfernt. Es soll ein möglichst feinkrümeliger Boden ohne Mulden entstehen, denn die Pflanzen, deren Saatgut wir aufbringen, können nur dann optimal keimen, wenn sie genug Sonnenlicht abbekommen und nicht beschattet werden.
Endlich! Die Aussaat!
Ist die Fläche dann gut vorbereitet, geht es an die Aussaat. Ich habe mich für die Saatgutmischung "Fettwiese" entschieden, weil der Standort meiner Blühwiese halbschattig ist. Die Mischung "Fettwiese" kommt zur Not auch mit halbschattigen Standorten zurecht, entwickelt sich aber langsamer und spärlicher. Das nehme ich in Kauf, weil ich keinen anderen Standort zur Verfügung habe. Es handelt sich um eine mehrjährige Mischung. Enthalten sind u.a. Wiesen-Schafgarbe, Gewöhnlicher Odermennig, Kornblume, Wiesen-Flockenblume, Wilde Möhre, Wiesen-Platterbse, Echtes Labkraut, Vogel-Wicke, Moschus-Malve, Weiße Lichtnelke und vieles mehr.
Von dieser Saatgutmischung benötigt man 1 - 1,5 Gramm pro Quadratmeter. Das ist so wenig, dass es zumindest mir schwerfällt, diese Mengenangabe einzuhalten. Fehlende Geduld ist nur eine meiner Schwächen ... ich lebe gelegentlich auch nach dem Motto: "Viel hilft viel!". Wie ich beim Kurstermin erfahren habe, greift mein Motto in diesem Fall aber nicht. Wird das Saatgut zu reichlich ausgebracht, rauben sich die Pflänzchen gegenseitig das Licht und es können sich nur die Sorten durchsetzen, die schnell keimen und schon bald viel Raum einnehmen. Sie nehmen Pflanzen, die anfangs nur Rosetten bilden, die sich flach am Boden befinden (z.B. Wilde Karde) oder solchen, die Frost brauchen, um überhaupt zu keimen, das Licht, so dass die Fläche u. U. weniger artenreich wird.
Meine Fläche ist ca. 6 Quadratmeter groß ... ich brauche also max. 9 Gramm Saatgut. Das ist echt wenig! Ich habe das in einem Eierbecher abgemessen und der ist gerade mal zu einem Drittel voll geworden. Weil es schwierig ist, so eine geringe Menge gleichmäßig auf einer doch recht großen Fläche auszubringen, vermischt man das Saatgut sorgfältig mit Sand. Dann lässt sich die Mischung ganz gut relativ gleichmäßig auf der Fläche verteilen. Die Vermischung mit dem Sand hat außerdem den Vorteil, dass dieser sichtbar macht, wo schon Saatgut verteilt wurde und wo nicht.
Achtung! Bevor das Saatgut aus der Packung entnommen wird, muss es gut durchgemischt werden. Die Samen haben sehr unterschiedliche Größen und Formen und beim Transport kommt es dazu, dass kleinere Samen nach unten rutschen und die größeren obenauf liegen bleiben. Ohne Durchmischung vor dem Abfüllen erhält man somit eine weniger artenreiche Fläche.
Es geht auf die Zielgerade!
Der vorletzte Arbeitsschritt besteht nun im Andrücken des Saatgutes. Das ist ganz einfach. Man braucht nur ein Brett, das auf die Fläche aufgelegt und dann mit dem eigenen Körpergewicht beschwert und gleichmäßig belastet wird. Mit diesem Brett "wandert" man dann über die Fläche, bis das Saatgut überall fest angedrückt ist.
Wichtig: Das Saatgut
Übrigens habe ich auch gelernt, wie wichtig es ist, für die Einsaat regionales Saatgut zu verwenden. Die heimischen Insekten haben sich über Jahrmillionen an die heimischen Wildpflanzen angepasst. Viele sind Spezialisten und benötigen ganz spezielle heimische Pflanzengruppen oder -arten zum Überleben. Regionales Saatgut enthält Wildblumen und -kräuter, die aus aus einer bestimmten Region stammen. Es ist an die lokalen Gegebenheiten angepasst und unterscheidet sich genetisch gegenüber gleichen Art in einem anderen Gebiet. Heimische Wildblumen fördern die Biodiversität, sind Lebensraum für viele Wildtiere und sind damit die bessere Alternative zu Gartenpflanzen aus dem Baumarkt und Co..
Viele Infos zum Thema gibt es beim Netzwerk Blühende Landschaften. Eine gute Bezugsquellen für regionales Saatgut ist z.B. Rieger-Hofmann GmbH. Auch die Biologische Station im Kreis Düren e.V. unterstützt bei der Suche nach geeignetem Saatgut.
Ich habe die Saatgutmischung "Fettwiese" von Rieger-Hofmann verwendet. Die beinhaltet neben den Arten, die ich im Juni/Juli bereits in meinem Beet vorgefunden hat, viele weitere Arten wie z.B. Wiesen-Schafgarbe, Gewöhnlicher Odermennig, Wiesen-Flockenblume, Johanniskraut, Kuckucks-Lichtnelke und viele mehr. Einige der enthaltenen Arten sind Kaltkeimer, so dass die Vielfalt in meinem Beet nach dem nächsten Winter noch größer werden wird.
Ach ja! Ohne Wasser geht es nicht!
Als letztes steht dann noch die Bewässerung an. Ich hatte Glück und konnte mir das - zumindest für heute - sparen, weil es kurz, nachdem ich fertig war, einen wunderbaren Landregen gab. In den ersten Wochen nach der Aussaat muss die Fläche aber weiterhin feucht gehalten werden. Deshalb bin ich froh, dass unser Regenwasserbehälter gut gefüllt ist :-)
Frühjahrs- oder Herbstaussaat?
Ich habe mich dafür entschieden, mein Blühbeet im Frühjahr anzulegen. Es ist die Jahreszeit, zu der ich immer voller Tatendrang bin und mich freue, endlich mehr draußen sein und im Garten arbeiten zu können. Außerdem ist das Erlernte vom Blühbotschafter*innen-Training noch frisch und präsent.
Man kann eine Blühwiese aber ebensogut (oder sogar noch besser) ab Mitte August bis November aussäen, weil die Feuchtigkeit im Herbst den Samen beim Keimen und Wachsen hilft. Die Spätsommeraussaat ist auch insofern zu bevorzugen, als das in dieser Jahreszeit das Aufkommen unerwünschter Wildkräuter geringer ist und die Kaltkeimer schon im ersten Jahr nach der Aussaat blühen. Ich muss auf die Kaltkeimer ein Jahr länger warten. Zum Glück habe ich Geduld! ;-)
Und nun?
Der nächste Kurstermin ist im Juni. Bis dahin gibt es - außer der Bewässerung der Fläche - nichts zu tun auf meiner neuen Blühwiese. Es ist erneut Geduld gefragt. Inzwischen glaube ich, ich krieg´ das hin :-) Ich habe bei den letzten Kursterminen ohnehin immer wieder gehört, dass langer Atem gefragt ist, weil die Wiese ein paar Jahre braucht, bis sie sich wie gewünscht entwickelt und stabilisiert hat.
Ende April 2023 - plötzlich ist da was!
Klitzekleine Pflänzchen sind überall auf der Fläche zu sehen! Ich freue mich und bin gespannt, wie es nun weitergeht!
Ende Juni/Anfang Juli 2023 - es blüht!
Und die ersten Besucher sind auch schon da! Dabei habe ich die Wiese seit Anfang Mai nicht mehr gegossen ... obwohl das Jahr sehr trocken war. Ich bin begeistert! Eine kleine Bilderserie:
Fotos: Tanja Malchow
Anfang Juni 2024 - ganz viele Margeriten!
Eigentlich wusste ich es aus dem Blühbotschafter*innen-Training aus 2023: im ersten Jahr dominieren meistens wenige Arten die Blühwiese. Bei mir ist es eindeutig die Margerite!
Im ersten Moment war ich etwas entmutigt, habe dann aber wahrgenommen, wie sehr es summt in meinem Beet. Nachstehend ein paar Eindrücke.
von links nach rechts: Asiatischer Marienkäfer, Larve/Breitflügelige Raupenfliege/Schmalbiene, unbestimmt/Wald-Mistbiene
(Fotos: Tanja Malchow)
Dann erinnerte ich mich daran, das im Kurs gesagt wurde, man solle die Wiese im ersten Jahr während der Vollblüte bis auf ca. 8 - 10 cm über dem Boden abschneiden soll, um anderen Arten, deren Samen noch im Boden liegen oder die im ersten Jahr nur Rosetten bilden, die Möglichkeit zur Entwicklung zu geben. Denn die brauchen Licht, um zu wachsen und zu gedeihen. Angesichts des Summens und Brummens und der Blütenpracht fällt das natürlich ein bisschen schwer. Ich gebe mir und meiner Wiese noch ein paar Tage Zeit, bevor ich mich ans Werk mache. Und dann schneide ich die Wiese nicht auf einmal, sondern nach und nach - man nennt das "Staffelschnitt". Die Insekten behalten dann im ungemähten Teil der Wiese ein Quartier und können erneut umziehen, wenn der zuerst gemähte Teil nachwächst. Klingt eigentlich nach einem guten Plan.